Menstruationstabus erkennen und überwinden

  • LESEDAUER 7 MIN
  • VERÖFFENTLICHT November 02, 2023
  • AUTOR Donna

Das Wichtigste

  • Die Menstruation ist in vielen Teilen der Welt immer noch ein verbotenes Thema. In Nepal etwa werden menstruierende Frauen+ und Mädchen+ ins Freie verbannt.
  • Mangelnder Zugang zu Menstruationsprodukten, auch bekannt als Menstruationsarmut, ist auch im globalen Norden ein Problem. Viele Mädchen müssen mit Lumpen und Zeitungspapier improvisieren, weil sie sich keine richtigen Binden oder Tampons leisten können.
  • In einigen Ländern wird die Periode gefeiert, das gilt insbesondere die erste. In Teilen Ghanas etwa feiern die Mädchen eine große Party.

Tabu Menstruation: Warum es noch immer Periodentabus gibt und wie wir sie brechen


Doch in vielen Kulturen gilt die Periode als schmutzig, erklärt die Ärztin Miriam Mottl, Gynäkologin und Sexualtherapeutin. „Im orthodoxen Judentum zum Beispiel darf eine menstruierende Frau+ nicht von ihrem Mann berührt werden. Nach der Periode muss sie noch ein paar Tage warten, und erst nach einem rituellen Reinigungsbad darf sie sich mit ihrem Partner treffen – wenn sie bereits ihren Eisprung hat“, sagt die Ärztin.⁠

Periodentabus kennen keine Grenzen

Vorurteile gegenüber der Menstruation gibt es in allen Kulturen und Regionen. In Nepal etwa praktizieren Hindu-Gemeinschaften ein Menstruationstabu namens chhaupadi. Dabei werden menstruierende Frauen+ und Mädchen nach draußen in Viehställe verbannt, weil sie als unrein gelten. Die „Tradition“ wurde 2017 offiziell verboten, bleibt aber dennoch eine schreckliche monatliche Tortur für viele Nepales*innen. Auch in Indien dürfen viele Frauen+ während ihrer Periode nicht in der Küche stehen oder an rituellen Praktiken teilnehmen.

Mancherorts kann man sogar verhaftet werden, wenn man gegen diese mittelalterlichen Praktiken protestiert. Amnesty International berichtet etwa, dass eine Aktivistin in Kasachstan bestraft wurde, weil sie sich friedlich gegen die Diskriminierung während der Menstruation aussprach. 1

Auch der fehlende Zugang zu Menstruationsprodukten ist weit verbreitet. In Kenia etwa können fast eine Million Mädchen nicht regelmäßig zur Schule gehen, weil sie sich keine Binden oder Tampons leisten können, so die ZanaAfrica Foundation2 Viele von ihnen benutzen Blätter von Bäumen, das Innere von Matratzen, Socken oder verwenden sogar schmutzige Binden weiter.

Armut während der Periode ist auch in wohlhabenderen Ländern ein Problem. Einer Studie zufolge haben 2017 mehr als 137.700 Mädchen in Großbritannien die Schule geschwänzt, weil Menstruationsprodukte für sie unerschwinglich sind. 3 Bei Menstruationsarmut geht es nicht nur um mangelnde Hygiene, sondern auch darum, dass sie Gefühle wie Scham und Angst auslöst.

Armut während der Periode ist auch in wohlhabenderen Ländern ein Problem. Einer Studie zufolge haben 2017 mehr als 137.700 Mädchen in Großbritannien die Schule geschwänzt, weil Menstruationsprodukte für sie unerschwinglich sind. 3 Bei Menstruationsarmut geht es nicht nur um mangelnde Hygiene, sondern auch darum, dass sie Gefühle wie Scham und Angst auslöst.

Zusätzlich erheben die meisten europäischen Länder eine „Luxussteuer“ auf Menstruationsprodukte. Das bedeutet, dass Binden und Tampons nicht als Notwendigkeit bewertet werden und deshalb mit höheren Steuern belegt sind.

Menstruationstabus: Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen

Woher kommt eigentlich die Stigmatisierung der Periode? Dr. Mottl erklärt, dass man früher glaubte, die Fehlfunktion der Gebärmutter würde bei Frauen+ „Hysterie“ verursachen. Eine Theorie besagte, dass die Gebärmutter durch den Körper wandert und dadurch Symptome der „Hysterie“ hervorruft.

„Diese Ideen stammen aus der Antike. Allerdings haben sie sich erst vor hundert Jahren durchgesetzt, als Frauen+ gezwungen wurden, zu masturbieren, um Hysterie zu heilen“, sagt Dr. Mottl.

Die Menstruation kann auch gefeiert werden

Aber die Periode ist nicht ausschließlich mit Angst und Feindseligkeit behaftet. Einige Kulturen glauben, dass Menstruationsblut positive magische Eigenschaften besitzt. In Marokko zum Beispiel wurde Menstruationsblut in Verbänden zur Behandlung von offenen Wunden verwendet.

Regelblutungen, insbesondere die erste im Leben einer Frau+, werden an manchen Orten auch groß gefeiert. In Sri Lanka wird für Mädchen, die ihre Menarche erleben, eine große Party mit Geschenken und guten Wünschen veranstaltet, ähnlich wie bei einem Sweet-16-Fest.

Die Frauen+ der Ojibwe, einer der größten indigenen Gruppen Nordamerikas, isolierten sich während der Menstruation selbst, um sich zu erholen, zu entspannen und sich mit anderen Frauen+ in der Gemeinschaft zu verbinden. Diese Tradition erlebt derzeit ein Comeback4

In einigen Teilen Ghanas sitzen junge Mädchen unter wunderschönen bunten Regenschirmen, wenn sie ihre Menstruation bekommen. Dabei werden die Mädchen von ihrer Familie mit Geschenken überhäuft und wie eine Königin gefeiert.

Für Dr. Mottl zeigen diese Beispiele, dass die Periode auch als etwas Schönes empfunden werden kann. „Sie sind ein Zeichen dafür, dass man sich in einer fruchtbaren Phase des Lebens befindet. Es ist wirklich ein Wunder, was eine Frau+ jeden Monat leisten kann“, betont sie.

Scham und Unverständnis

Leider sind wir noch weit davon entfernt, die Periode als eine Angelegenheit zu begreifen, auf die wir stolz sein können. „Schon die Frage nach einem Tampon könnte sich als Mission Impossible erweisen – viele Frauen+ verstecken sie, damit niemand weiß, dass sie menstruieren. Für viele Frauen+ ist es unangenehm, das Wort Tampon überhaupt auszusprechen“, sagt Dr. Mottl.

Ihrer Erfahrung als Gynäkologin nach haben auch viele Patientinnen das Bedürfnis, sich zu entschuldigen, wenn sie menstruieren – vor allem, wenn sie starke Blutungen haben. „Aber ich sage ihnen immer: Hey, deswegen bist du ja hier.“

In den Schulen wird nicht genug über die reproduktive Gesundheit von Frauen+ gesprochen. Infolgedessen sind viele Frauen+ verwirrt über die Einzelheiten ihres Zyklus und ihrer Periode. „Sie wissen nicht, wie stark sie bluten, warum sich die Gebärmutter zusammenzieht oder wie der Eisprung funktioniert. Das ist nicht böse gemeint, es wird uns einfach nicht beigebracht. Solange das so ist, wird die Periode auch weiterhin ein Tabu bleiben“, glaubt Dr. Mottl.

Eine Umfrage von YouGov ergab etwa, dass jede siebte Frau+ und jeder dritte Mann nicht weiß, was während der Periode passiert. 5 Eine andere Umfrage, die von OnePoll unter 2.000 Frauen+ durchgeführt wurde, ergab, dass mehr als die Hälfte der Befragten die Gebärmutter als ein anderes Körperteil identifizierte. 6

Eine angemessene Aufklärung ist heute umso wichtiger, als Frauen+ mehr und länger menstruieren als in der Vergangenheit. „Eine durchschnittliche Frau+ durchläuft in ihrem Leben etwa 450 Perioden. Früher menstruierte sie etwa 100 mal“, erklärt Dr. Mottl. Der Grund dafür ist, dass Frauen+ in früheren Jahrhunderten einen Großteil ihrer Zeit mit Schwangerschaften oder Stillen verbrachten, was die Rückkehr der Periode verzögern kann. „Die Herausforderungen bezüglich der Periode sind in unserer Gesellschaft größer.“

Was können wir dagegen tun?

Armut während der Periode zwingt Millionen von Mädchen und Frauen+, die Schule zu verpassen, und kann zu Angst und Scham führen. Doch in den meisten Ländern wird der Umgang mit der Periode besser. Hier sind einige Dinge, die wir alle tun können, um das Tabu zu brechen:

  • Stellen wir uns die Periode als etwas vor, das unglaublich wichtig für die Aufrechterhaltung unserer Fruchtbarkeit ist.
  • Verstecken wir Binden und Tampons nicht mehr. Unsere Menstruation ist nichts, wofür wir uns schämen müssen. Wenn ein Tampon aus der Handtasche fällt, ist das überhaupt nicht schlimm!
  • Holen wir uns Hilfe, wenn wir uns Sorgen um unsere Periode oder unseren Zyklus machen, und setzen wir uns aktiv für unsere Gesundheit ein.
  • Sprechen wir darüber – denn je mehr über die Periode gesprochen wird, desto weniger ist sie ein Tabu.
  • Vermeiden wir Euphemismen wie etwa „Rote Tante“ oder „Erdbeerwoche“. Die können zwar lustig sein, aber verstärken nur die Scham über die Periode.

Wir laden dich dazu ein, uns deine Gedanken über Perioden-Tabus mitzuteilen. Lass uns wissen, was du denkst, und hinterlasse uns unten oder auf Donna Instagram einen Kommentar. Wir freuen uns, von dir zu hören!

FUSSNOTEN

  1. https://www.amnesty.org.au/the-women-breaking-menstrual-taboos/
  2. http://www.zanaafrica.org/
  3. https://www.thelondoneconomic.com/must-reads/shocking-report-highlights-extent-of-period-poverty-in-britain-82801/
  4. https://theconversation.com/how-a-native-american-coming-of-age-ritual-is-making-a-comeback-130524
  5. https://yougov.co.uk/topics/health/articles-reports/2019/03/11/lot-brits-dont-realise-pregnancy-possible-right-du
  6. https://metro.co.uk/2020/11/09/almost-50-of-women-dont-know-where-their-cervix-is-finds-study-13561743/

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